IMPULSE ZUR STÄRKUNG
MITEINANDER REDEN Offenheit schafft Nähe Miteinander reden zu können, ist die Basis jeder guten Beziehung. Nur wenn wir den Mut haben, unsere wahren Gefühle und Bedürfnisse mitzuteilen, entsteht emotionale Verbundenheit. Doch vielen Menschen fällt es schwer, sich anderen zu offenbaren. Wie oft haben wir als Kind gehört, wir sollten «die Zähne zusammen beissen» und uns «zusammenreissen»? Wer offen über seine Emotionen spricht und diese zeigt, gilt noch immer als «Drama-Queen» oder «Weichei». Über Gefühle zu reden, ist aber kein Zeichen von Schwäche, sondern braucht Kraft und Mut. Denn ein ehrliches Gespräch ist anstrengend und oft unbequem. Es bringt so manche Konflikte an die Oberfläche, die wir lieber unter den Teppich gekehrt hätten. Da wäre Schweigen mit Sicherheit die einfachere Lösung. Und doch schafft kaum etwas soviel Verbundenheit wie ein offenes Gespräch. Reden klärt Missverständnisse Selbst wenn wir nicht miteinander sprechen, kommunizieren wir. Durch unser Verhalten senden wir unseren Mitmenschen ständig Botschaften. Sei es die Wäsche, die demonstrativ auf der Treppe platziert wird, oder der Abfallsack, der vor der Eingangstüre steht - stets kommunizieren wir auch nonverbal über Zeichen. Dabei ist die Gefahr von Missverständnissen besonders gross, weil jeder Mensch das Verhalten seiner Mitmenschen aus seiner eigenen Sicht wahrnimmt und interpretiert. Wir alle fühlen, denken und handeln unterschiedlich und haben deshalb unsere eigenen Vorstellungen von der Wirklichkeit. So betrachten wir unsere Mitmenschen immer aus unserer eigenen Perspektive und können ihre Gedanken und Handlungen oft nicht nachvollziehen. Die Erfahrung zeigt, dass offene Worte die beste Möglichkeit sind, Missverständnisse zu vermeiden und gegenseitige Erwartungen zu klären. Warum Jammern und Nörgeln schadet Schonungslose Offenheit birgt aber auch Nachteile. Denn viele Partnerschaften scheitern an ewiger Nörgelei. Auch in Beziehungen laufen wir Gefahr, uns stärker auf die negativen Aspekte zu fokussieren, während die positiven Eigenschaften des/r Partners/in nicht sonderlich auffallen, sondern irgendwann zur Selbstverständlichkeit werden. Diese Grundeinstellung unseres Gehirns, die dem Negativen Vorrang vor dem Positiven gibt, ist evolutionär begründet. In einer Welt voller Gefahren und Verluste bringen negative Emotionen wie Angst und Wut massive Überlebensvorteile. Denn bereits zu Urzeiten hat uns die verstärkte Wahrnehmung negativer Emotionen mit der vom Stammhirn ausgehenden Flucht- und Kampfreaktion einen Überlebensvorteil gesichert. Obschon es in der Natur des Menschen liegt, negative Dinge verstärkt wahrzunehmen, können wir unseren Fokus bewusst auf das Positive legen. Ein gesundes Beziehungsklima setzt voraus, sich nicht nur Belastendes mitzuteilen, sondern viel öfters positive Erfahrungen und gute Gefühle miteinander zu teilen. Sich seinem Gegenüber mit allen Facetten zu offenbaren, heisst demnach nicht, ihn für alles Schlechte verantwortlich zu machen und sich ihm mit allen Unzulänglichkeiten zuzumuten. Manchmal ist es besser, den eigenen Frust mit sich selber auszumachen oder ihn mit der Familie oder Freunden zu besprechen. Denn ständiges Jammern und Nörgeln belastet jede Beziehung. Das Geheimnis positiver Kommunikation Der amerikanische Psychologe John Gottman hat gemeinsam mit seinem Forschungsteam in Studien das Liebesglück von Paaren erforscht. Dabei fanden sie heraus, dass Paare, die mit positiven Interaktionen negative kompensierten, ihre Beziehung langfristig aufrecht erhalten konnten. Eindrücklich war dabei, dass das Verhältnis von positiven zu negativen Interventionen im Verhältnis von etwa 5:1 stand. Zu einer guten Kommunikation gehört demnach, seinem Gegenüber regelmässig mitzuteilen, dass man ihn wertschätzt und ihm wohlgesinnt ist. Dies gilt aber nicht nur für Partnerschaften, sondern für alle Beziehungen, und geht vor allem im Arbeitsumfeld oft vergessen. Kommunizieren wir vorwiegend positiv, werden unsere Nächsten dies spiegeln. Denn Veränderung in einer Beziehung glückt nur dann, wenn man bei sich selber beginnt und von sich aus neue Impulse setzt. Respektvoll streiten Konflikte sind unvermeidbar, insbesondere wenn Menschen ihren Alltag teilen. Eine Auseinandersetzung mit dem/r Partner/in oder Familienmitgliedern ist sehr emotional, denn nichts schmerzt so sehr wie die Kritik eines nahestehenden Menschen. Und genau in diesen Momenten, wenn man enttäuscht oder wütend ist, ist ein konstruktives Gespräch eine besondere Herausforderung. Positive Kommunikation gelingt dann, wenn das Gegenüber auch im Zuge einer Auseinandersetzung mit Wertschätzung und Respekt behandelt wird. Wenn wir jemanden beleidigen, beschimpfen oder unter Druck setzen, verletzen wir die Würde des Gegenübers. Unabhängig vom Anlass der Auseinandersetzung hat dieses Verhalten immer eine Verschärfung des Konflikts zur Folge. Deshalb ist es besonders wichtig, im Streit offen und direkt, aber auch respektvoll zu kommunizieren. Sind wir einander liebevoll zugeneigt, bleiben unsere Wortwahl und unser Tonfall auch bei einer Unstimmigkeit von gegenseitigem Respekt geprägt. Denn wer die Schwächen und Unzulänglichkeiten seines Gegenübers kennt, trägt die grosse Verantwortung, auch im Streit sorgsam mit diesem Wissen umzugehen und Verletzungen zu vermeiden. Die Art und Weise, wie man in einer Beziehung streitet, ist deshalb genauso wichtig wie die Art und Weise, wie man einander liebt. Miteinander Konflikte klären Nahezu alle Beziehungskonflikte werden durch nicht erfüllte Erwartungen ausgelöst. Unter der Oberfläche jedes auch noch so banalen Streits um liegen gelassene Wäsche oder eine offene Zahnpasta-Tube liegt ein ganzes Universum von Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen verborgen. Somit geht es bei einer Auseinandersetzung meist nicht um die herumliegenden Socken oder die anstehende Ferienplanung, sondern um tieferliegende Bedürfnisse und Erwartungen, die enttäuscht wurden. Dass Menschen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse haben, ist Realität. Doch um einen fairen Kompromiss zu finden oder eine ganz neue Idee, den Konflikt zu lösen, müssen die Beteiligten zunächst ihre eigenen Bedürfnisse und diejenigen ihres Gegenübers kennen. Nur so kann in den meisten Fällen eine gute Lösung gefunden werden. Reden wir offen und respektvoll über unsere Gefühle und Bedürfnisse, besteht die Chance auf Klärung. Sich gegenseitig aber auch einmal den Standpunkt zu lassen, obschon man nicht damit einverstanden ist, und mit dieser Differenz zu leben, ist ein Zeichen von Respekt. Streiten wir konstruktiv, schaffen Auseinander-setzungen mehr Nähe und vertiefen die Beziehung. Denn es ist nicht zuletzt auch die Sicherheit, gemeinsam Konflikte bewältigen zu können, die eine Verbindung stärkt. Cornelia Hotz
0 Comments
|