EINE STARKE KONFLIKTKULTUR Weshalb wir streiten Auseinandersetzungen gehören zum Leben - sei es zuhause, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft. Nahezu alle Konflikte werden durch nicht erfüllte Bedürfnisse und Erwartungen ausgelöst. Unter der Oberfläche jedes auch noch so banalen Streits über Unkraut im Garten oder eine offene Zahnpasta-Tube liegt ein ganzes Universum von Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen verborgen. Deshalb geht es bei einer Auseinandersetzung meist nicht um herumliegende Socken oder die anstehende Ferienplanung, sondern um tiefergehende Bedürfnisse und Erwartungen, die missachtet und enttäuscht wurden. Wenn ein Konflikt zu eskalieren droht, lohnt es sich, darüber nachzudenken, welche Erwartungen dahinterliegen. Oft sind wir uns nämlich selber nicht im Klaren darüber, weshalb wir enttäuscht oder wütend sind. Wie Sie Ihre Kommunikation garantiert zu Fall bringen Bei einer Auseinandersetzung fällt es uns besonders schwer, wertschätzend miteinander zu sprechen. Sind wir verärgert, neigen wir zu Vorwürfen und verallgemeinernden oder herablassender Kritik: «Nie trägst Du den Müll raus, bist Du zu faul?» oder «Immer lässt Du Deine leeren Kaffeebecher stehen – Du bist so unordentlich!» sind typische Angriffe, die eine Auseinandersetzung verschärfen. Darauf folgt meist die Verteidigungsrede oder ein Gegenvorwurf: «Hast Du eine Ahnung, was ich täglich im Haushalt erledige?» oder «Du bist der Chaot von uns zwei, schau Dir doch mal Deinen Schreibtisch an!» Während die sich verteidigende Partei versucht, ihre Situation zu erklären, fühlt sich die andere in ihrer (vielleicht berechtigten) Kritik übergangen, was den Konflikt zusätzlich verschärft. Mag der Anlass für eine Auseinandersetzung noch so unbedeutend sein – ein verbaler Schlagabtausch kann sich auf diese Weise bis zur totalen Eskalation hochschaukeln. Ein weiteres dysfunktionales Streitmuster ist «Mauern». Bei einer Auseinandersetzung zu schweigen oder hilflos davonzulaufen ist keine Lösung, sondern bedeutet Abweisung. Diese Demonstration der eigenen Gleichgültigkeit dem anderen gegenüber provoziert meist weiteren Frust und Zorn. Wird dieses «Mauern» systematisch, ist keine positive Kommunikation mehr möglich. Wir alle geraten ab und an in eine Kommunikationsfalle. Wenn wir aber den Ausweg nicht mehr finden, wird dies die Bindung auf Dauer zerstören. Wenn der Tiefpunkt erreicht ist Zu denken, dass Ihr Gegenüber ein Ignorant ist, kann in der Hitze des Gefechts heilsam sein, aber teilen sollten Sie diesen Gedanken nie. Jemanden im Streit zu beleidigen oder zu beschimpfen, verletzt dessen Würde und vergiftet das Klima. Halten verachtende Worte oder Gesten Einzug, geht es nicht mehr um das Lösen von Konflikten, sondern um Zerstörung. Bei Aussagen wie «Du bist ein Verlierer!» oder «Du kannst mich mal!» geht es nur noch darum, den anderen herabzusetzen und willentlich zu verletzen. Besonders toxisch wird es, wenn intimes Wissen über die andere Person als Waffe eingesetzt wird. Hält dieses Streitmuster Einzug, ist der Tiefpunkt erreicht. Und dann gibt es meist keinen Weg zurück. Achtung Verletzungsgefahr! Nichts schmerzt so sehr wie die Kritik eines nahestehenden Menschen. Und in diesen Momenten, wenn wir enttäuscht oder wütend sind, ist ein konstruktives Gespräch eine besondere Herausforderung. Wer die Schwächen und Unzulänglichkeiten seines Gegenübers kennt, trägt die grosse Verantwortung, auch im Streit sorgsam mit diesem Wissen umzugehen und unnötige Verletzungen zu vermeiden. Bei einer Auseinandersetzung ist es besonders wichtig, offen und direkt, aber auch respektvoll und einfühlsam zu kommunizieren. Sind wir einander freundlich zugeneigt, bleiben unsere Wortwahl, unser Tonfall und unsere Gestik auch bei einer Auseinandersetzung von gegenseitigem Respekt geprägt. Denn eine konstruktive Kommunikation gelingt nur dann, wenn das Gegenüber auch im Zuge einer Auseinandersetzung mit Wertschätzung und Wohlwollen behandelt wird. Alles eine Frage der Perspektive Fälschlicherweise orientiert sich unsere Kommunikation oft an der Idee von Recht und Unrecht. Wenn wir auf unterschiedlichen Positionen beharren und vergeblich darauf warten, dass die oder der andere das Unrecht einsieht, bleiben beide auf der Strecke. Denn es gibt niemals eine objektive Wahrheit darüber, welche Gefühle und Bedürfnisse richtig und welche falsch sind. Jeder Mensch sieht die Welt aufgrund seiner einzigartigen Persönlichkeit, seiner genetischen Veranlagung, seiner Prägung und seinen Erfahrungen mit eigenen Augen. Wir alle fühlen, denken und handeln unterschiedlich und haben unsere eigenen Vorstellungen von der Wirklichkeit. So betrachten wir die Mitmenschen immer aus unserer eigenen Perspektive und können deshalb ihre Gedanken und Handlungen oft nicht nachvollziehen. Wenn wir kommunizieren, tauschen wir unsere Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse stets im Sinne einer subjektiven Wahrheit aus. Unser Gegenüber mag vielleicht eine ganz andere Sicht der Dinge haben. Aber jeder Mensch hat aus seiner Sicht recht. Was für Sie blau ist, ist für einen anderen Menschen vielleicht grün oder grau. Und wer hat nicht schon einmal in gemütlicher Runde darüber diskutiert, ob der Wein nach Zapfen schmeckt oder nicht? Manchmal reicht schon ein Wechsel der Blickrichtung, um klar zu sehen. Reden ist Silber, Zuhören ist Gold Zu einer konstruktiven Konfliktbewältigung im Privatleben wie auch am Arbeitsplatz gehört, den Anliegen seines Gegenübers Aufmerksamkeit zu schenken und ihm Verständnis entgegenzubringen. Oft sind wir in einem Gespräch aber nur darauf bedacht, unsere Sicht der Dinge loszuwerden. Wir gehen nicht auf die Worte unseres Gegenübers ein. Ein Gespräch, an denen beide aneinander vorbeireden, schafft jedoch keine Verbindung und führt zu keiner Lösung. Aktiv zuhören hilft uns dabei, der Perspektive unseres Gegenübers Interesse und Verständnis entgegenzubringen. Bringt uns doch ein Gespräch nur dann einander näher, wenn wir sowohl gehört als auch verstanden werden. Wenn ein fairer Kompromiss gefunden werden soll oder eine ganz neue Idee, den Konflikt zu klären, müssen beide zunächst über ihre eigenen Bedürfnisse Klarheit haben und diejenigen ihres Gegenübers kennen. Auf diese Weise kann eine Lösung gefunden werden, die beide Seiten berücksichtigt. Klärung schafft Nähe Es ist einfacher, Konflikte zu klären, als damit zu leben. Und dafür braucht es ein offenes Gespräch. Reden die Konfliktbeteiligten ehrlich über ihre Gefühle, Bedürfnisse und Erwartungen, besteht die Grundlage für eine faire Lösung. Sich aber gegenseitig auch einmal den jeweiligen Standpunkt zuzugestehen, obschon man nicht damit einverstanden ist, und mit dieser Differenz zu leben, gehört ebenfalls zu einer guten Konfliktkultur. Die Art und Weise, wie Menschen streiten, ist genauso wichtig wie die Art und Weise, wie sie sich Zuneigung schenken. Werden Konflikte einvernehmlich geklärt, schaffen sie Nähe. Bleiben sie ungeklärt, bringen sie Distanz. Deshalb trägt eine auf Offenheit, Wertschätzung und Wohlwollen basierende Konfliktkultur wesentlich zum Gelingen unserer Beziehungen bei. Machen Sie sich gemeinsam auf die Suche nach einer Lösung, die für alle funktioniert. Denn es ist nicht zuletzt auch die Sicherheit, gemeinsam Konflikte klären zu können, die eine Partnerschaft, eine Familie, eine Freundschaft oder ein Team stärkt. Cornelia Hotz
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FÖRDERN STATT ÜBERFORDERN Wenn Fördern Programm wird Statt baden und Glace essen bei 30 Grad über dem Mathebuch brüten? Für viele Schulkinder war dieses Szenario während den Sommerferien Realität. Aus Angst, schulisch nicht fit genug zu sein, verbringen viele Kinder und Jugendliche einen Teil ihrer Ferien hinter dem Schreibtisch. Auch Lager zur Aufbesserung der Sprachkenntnisse, Mathe-Camps oder Computer-Kurse verzeichnen eine noch nie dagewesene Nachfrage. Doch das Fördern beginnt nicht erst nach Schuleintritt, sondern bereits in der Schwangerschaft. Manche werdende Eltern hören nur deshalb Mozart, weil klassische Musik die neuronale Entwicklung ihres ungeborenen Kindes fördern soll. Andere sprechen zuhause plötzlich eine Fremdsprache, die sie ihrem Kind pränatal vermitteln wollen. Und das Förderungsangebot entscheidet auch über die Wahl der Kindertagesstätte, weil lesen und schreiben vor Schuleintritt heutzutage beinahe Standard ist. Freizeit findet nicht statt Der zunehmende Förderwahn befeuert aber nicht nur die schulische Laufbahn unserer Kinder und Jugendlichen, sondern erobert auch ihre Freizeit. Während wir uns früher einmal pro Woche im Turnverein trafen, wird unsere Jugend heute mit mehreren wöchentlichen Trainingseinheiten zu angehenden Profi-Eishockeyspielern*innen, Profi-Fussballern*innen oder Kunstturnern*innen geformt. Bei vielen Sportarten steht nicht mehr Bewegung, Spiel und Gemeinschaft im Vordergrund, sondern wird der Fokus auf Leistung, Disziplin und Erfolg gesetzt. Und als ob der Druck nicht schon hoch genug wäre, werden manche Kinder abends noch zu täglichem Musizieren gedrängt, obschon sie weder Talent noch Freude daran haben. So sehen sich viele Kinder und Jugendliche mit einem durchgeplanten Terminkalender konfrontiert, der ihnen im Alltag kaum eine freie Minute gönnt. Weshalb Kinder ausbrennen Die zunehmende Überforderung der Kinder und Jugendlichen ist ein gesellschaftliches Problem. Der in unseren Kreisen vorherrschende Terror der Selbstoptimierung zwingt auch uns Eltern dazu, Höchstleistungen zu liefern. Doch das Streben nach Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung droht ein kritisches Ausmass anzunehmen. Noch nie litten mehr Menschen an Stresssymptomen, Erschöpfungsdepressionen und psychosomatischen Beschwerden. Obschon wir selber darunter leiden, übertragen wir den Selbstoptimierungswahn bedenkenlos auf die Kinder. Doch was macht es mit unserem Nachwuchs, wenn Fördern zum Programm wird und weder Zeit noch Raum für Ruhe, Spiel und Spass bleibt? Müssen Kinder und Jugendliche in allen Bereichen ihres Lebens performen und Leistungen erbringen, die ihre Ressourcen vielleicht übersteigen, fehlt ihnen der Nährboden für eine gesunde Entwicklung. Das Gefühl, den Anforderungen nicht zu genügen und dem Druck nicht standhalten zu können, löst auf Dauer psychische und physische Beschwerden aus. Niedergeschlagenheit, Erschöpfung, Ängste oder körperliche Symptome sind mögliche Folgen. Eine aktuelle Studie der Pro Juventute Schweiz zeigt, dass sich über 30 Prozent der 9- bis 15-jährigen gestresst fühlt und mehr als 45 Prozent der Jugendlichen über 14 Jahren unter hohem Stress leidet. Dass in der Schweiz wöchentlich zwei Jugendliche oder junge Erwachsene keinen Ausweg mehr sehen und Suizid begehen, ist alarmierend. Wenn das Beste zu viel des Guten ist Wir wollen für unsere Kinder doch stets das Beste und noch mehr. Und scheuen dafür keinen Aufwand. Der Nachwuchs soll die bestmögliche Schule besuchen, die bestmögliche Ausbildung erhalten, dem bestmöglichen Sportclub beitreten und sich in bestmöglichen Kreisen bewegen. Und dabei möglichst erfolgreich sein. Weil nur das Beste gut genug ist, wird gefördert, verglichen und unter Druck gesetzt, was das Zeug hält. Leider geschieht dies oft ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und Interessen der Kinder, die vielleicht ganz andere Pläne hätten als ihre Eltern - wenn sie denn die Möglichkeit hätten, sich frei zu entfalten. Spätestens mit Beginn der Pubertät strebt unser Nachwuchs nach mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Diese Entwicklung sowie die mit der Adoleszenz verbundene emotionale Achterbahnfahrt ist mit dem Förderwahn der Eltern nicht kompatibel, was in vielen Familien zu grossen Konflikten führt. Spätestens dann ist es an der Zeit, seine Ambitionen und Ziele als Eltern kritisch zu hinterfragen. Denn für das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen sind nicht Leistung und Erfolg, sondern Liebe und Anerkennung entscheidend. Die Bedürfnisse seines Kindes ernst zu nehmen, ihm zuzuhören und emotional anwesend zu sein, bringt oft mehr als sich in Ratgeberliteratur und Elterncoachings zu flüchten oder den Nachwuchs zur Therapie zu schicken. Was Kinder für eine gesunde Entwicklung brauchen Es ist unsere Pflicht als Eltern, den Rahmen für eine optimale geistige, körperliche und psychische Entwicklung unserer Kinder zu schaffen. Dazu gehört ein Umfeld, in dem sich der Nachwuchs möglichst frei von Druck und Stress entfalten kann. Jedes Kind kommt mit einer natürlichen Neugierde auf die Welt, möchte die Welt erkunden und Neues entdecken. Neurobiologischen Studien zufolge lernen Kinder besser, wenn sie dabei Freude empfinden und experimentieren dürfen. Der schulische Erfolg hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Kinder mit der Schule viele positive Emotionen verbinden. Stress, Druck und Angst sind kontraproduktiv. Unsere Kinder brauchen nebst dem schulischen Alltag aber auch Momente, über die sie selbst bestimmen können. Das freie Spiel ist der beste Nährboden für eine gute Entwicklung. Kinder, die genug Zeit haben mit anderen zu spielen, entfalten ihre Kreativität und entwickeln Sozialkompetenz. Sie brauchen aber auch Zeit und Raum, einfach mal nichts tun zu müssen. Dies gilt insbesondere für Jugendliche, die in der Pubertät anspruchsvollen körperlichen und geistigen Veränderungen ausgesetzt sind. Je mehr Zeit der Nachwuchs zur Erholung hat, zum Treffen mit Gleichaltrigen sowie für Freizeitaktivitäten ohne Leistungsdruck, desto wohler fühlt er sich. Und je wohler sich Kinder und Jugendliche fühlen, desto leistungsfähiger und widerstandsfähiger werden sie. Fördern statt überfordern In allen Bereichen unseres Lebens sollte nicht die Leistung, sondern die Freude am Tun im Vordergrund stehen. Dies gilt sowohl für uns Erwachsene als auch für die Kinder und Jugendlichen. Überprüfen Sie Ihre Ansprüche kritisch und gönnen Sie Ihrem Nachwuchs die nötige Ruhe und Leichtigkeit im Leben. Hören Sie öfters auf Ihre Intuition, statt sich von den Ambitionen im Umfeld beeinflussen zu lassen. Vergleichen Sie Ihr Kind nicht mit anderen, gibt es doch immer ein gleichaltriges, das begabter, sportlicher, beliebter oder erfolgreicher ist als ihres. Ihr Kind ist unabhängig von seinen Talenten und Leistungen ein wundervoller Mensch. Wertschätzen Sie sein einzigartiges Wesen und legen Sie den Fokus auf seine Ressourcen. Herauszufinden, wo die Stärken und Interessen Ihres Kindes liegen und diese zu fördern, bedeutet häufig auch, Abschied von den eigenen Bildern über die Zukunft Ihres Nachwuchses zu nehmen. Kinder brauchen Raum für ihre freie Entfaltung. Lassen Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, eigene Erfahrungen und Fehler zu machen. Für seine Persönlichkeitsentwicklung ist es elementar, auch einen konstruktiven Umgang mit Misserfolgen zu lernen. Erst wenn wir als Eltern den Mut haben, uns dem gesellschaftlichen Druck zu widersetzen und die Selbstoptimierungsspirale zu durchbrechen, ist eine angemessene Förderung möglich. Und dies sollten wir nicht nur für die gesunde Entwicklung unserer Kinder tun, sondern auch zu unserem eigenen Wohl. Denn für Ihre Kinder sind Sie das Vorbild, das sie nachahmen werden. Sorgen Sie dafür, dass es ein gutes ist. Cornelia Hotz MITEINANDER REDEN Offenheit schafft Nähe Miteinander reden zu können, ist die Basis jeder guten Beziehung. Nur wenn wir den Mut haben, unsere wahren Gefühle und Bedürfnisse mitzuteilen, entsteht emotionale Verbundenheit. Doch vielen Menschen fällt es schwer, sich anderen zu offenbaren. Wie oft haben wir als Kind gehört, wir sollten «die Zähne zusammen beissen» und uns «zusammenreissen»? Wer offen über seine Emotionen spricht und diese zeigt, gilt noch immer als «Drama-Queen» oder «Weichei». Über Gefühle zu reden, ist aber kein Zeichen von Schwäche, sondern braucht Kraft und Mut. Denn ein ehrliches Gespräch ist anstrengend und oft unbequem. Es bringt so manche Konflikte an die Oberfläche, die wir lieber unter den Teppich gekehrt hätten. Da wäre Schweigen mit Sicherheit die einfachere Lösung. Und doch schafft kaum etwas soviel Verbundenheit wie ein offenes Gespräch. Reden klärt Missverständnisse Selbst wenn wir nicht miteinander sprechen, kommunizieren wir. Durch unser Verhalten senden wir unseren Mitmenschen ständig Botschaften. Sei es die Wäsche, die demonstrativ auf der Treppe platziert wird, oder der Abfallsack, der vor der Eingangstüre steht - stets kommunizieren wir auch nonverbal über Zeichen. Dabei ist die Gefahr von Missverständnissen besonders gross, weil jeder Mensch das Verhalten seiner Mitmenschen aus seiner eigenen Sicht wahrnimmt und interpretiert. Wir alle fühlen, denken und handeln unterschiedlich und haben deshalb unsere eigenen Vorstellungen von der Wirklichkeit. So betrachten wir unsere Mitmenschen immer aus unserer eigenen Perspektive und können ihre Gedanken und Handlungen oft nicht nachvollziehen. Die Erfahrung zeigt, dass offene Worte die beste Möglichkeit sind, Missverständnisse zu vermeiden und gegenseitige Erwartungen zu klären. Warum Jammern und Nörgeln schadet Schonungslose Offenheit birgt aber auch Nachteile. Denn viele Partnerschaften scheitern an ewiger Nörgelei. Auch in Beziehungen laufen wir Gefahr, uns stärker auf die negativen Aspekte zu fokussieren, während die positiven Eigenschaften des/r Partners/in nicht sonderlich auffallen, sondern irgendwann zur Selbstverständlichkeit werden. Diese Grundeinstellung unseres Gehirns, die dem Negativen Vorrang vor dem Positiven gibt, ist evolutionär begründet. In einer Welt voller Gefahren und Verluste bringen negative Emotionen wie Angst und Wut massive Überlebensvorteile. Denn bereits zu Urzeiten hat uns die verstärkte Wahrnehmung negativer Emotionen mit der vom Stammhirn ausgehenden Flucht- und Kampfreaktion einen Überlebensvorteil gesichert. Obschon es in der Natur des Menschen liegt, negative Dinge verstärkt wahrzunehmen, können wir unseren Fokus bewusst auf das Positive legen. Ein gesundes Beziehungsklima setzt voraus, sich nicht nur Belastendes mitzuteilen, sondern viel öfters positive Erfahrungen und gute Gefühle miteinander zu teilen. Sich seinem Gegenüber mit allen Facetten zu offenbaren, heisst demnach nicht, ihn für alles Schlechte verantwortlich zu machen und sich ihm mit allen Unzulänglichkeiten zuzumuten. Manchmal ist es besser, den eigenen Frust mit sich selber auszumachen oder ihn mit der Familie oder Freunden zu besprechen. Denn ständiges Jammern und Nörgeln belastet jede Beziehung. Das Geheimnis positiver Kommunikation Der amerikanische Psychologe John Gottman hat gemeinsam mit seinem Forschungsteam in Studien das Liebesglück von Paaren erforscht. Dabei fanden sie heraus, dass Paare, die mit positiven Interaktionen negative kompensierten, ihre Beziehung langfristig aufrecht erhalten konnten. Eindrücklich war dabei, dass das Verhältnis von positiven zu negativen Interventionen im Verhältnis von etwa 5:1 stand. Zu einer guten Kommunikation gehört demnach, seinem Gegenüber regelmässig mitzuteilen, dass man ihn wertschätzt und ihm wohlgesinnt ist. Dies gilt aber nicht nur für Partnerschaften, sondern für alle Beziehungen, und geht vor allem im Arbeitsumfeld oft vergessen. Kommunizieren wir vorwiegend positiv, werden unsere Nächsten dies spiegeln. Denn Veränderung in einer Beziehung glückt nur dann, wenn man bei sich selber beginnt und von sich aus neue Impulse setzt. Respektvoll streiten Konflikte sind unvermeidbar, insbesondere wenn Menschen ihren Alltag teilen. Eine Auseinandersetzung mit dem/r Partner/in oder Familienmitgliedern ist sehr emotional, denn nichts schmerzt so sehr wie die Kritik eines nahestehenden Menschen. Und genau in diesen Momenten, wenn man enttäuscht oder wütend ist, ist ein konstruktives Gespräch eine besondere Herausforderung. Positive Kommunikation gelingt dann, wenn das Gegenüber auch im Zuge einer Auseinandersetzung mit Wertschätzung und Respekt behandelt wird. Wenn wir jemanden beleidigen, beschimpfen oder unter Druck setzen, verletzen wir die Würde des Gegenübers. Unabhängig vom Anlass der Auseinandersetzung hat dieses Verhalten immer eine Verschärfung des Konflikts zur Folge. Deshalb ist es besonders wichtig, im Streit offen und direkt, aber auch respektvoll zu kommunizieren. Sind wir einander liebevoll zugeneigt, bleiben unsere Wortwahl und unser Tonfall auch bei einer Unstimmigkeit von gegenseitigem Respekt geprägt. Denn wer die Schwächen und Unzulänglichkeiten seines Gegenübers kennt, trägt die grosse Verantwortung, auch im Streit sorgsam mit diesem Wissen umzugehen und Verletzungen zu vermeiden. Die Art und Weise, wie man in einer Beziehung streitet, ist deshalb genauso wichtig wie die Art und Weise, wie man einander liebt. Miteinander Konflikte klären Nahezu alle Beziehungskonflikte werden durch nicht erfüllte Erwartungen ausgelöst. Unter der Oberfläche jedes auch noch so banalen Streits um liegen gelassene Wäsche oder eine offene Zahnpasta-Tube liegt ein ganzes Universum von Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen verborgen. Somit geht es bei einer Auseinandersetzung meist nicht um die herumliegenden Socken oder die anstehende Ferienplanung, sondern um tieferliegende Bedürfnisse und Erwartungen, die enttäuscht wurden. Dass Menschen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse haben, ist Realität. Doch um einen fairen Kompromiss zu finden oder eine ganz neue Idee, den Konflikt zu lösen, müssen die Beteiligten zunächst ihre eigenen Bedürfnisse und diejenigen ihres Gegenübers kennen. Nur so kann in den meisten Fällen eine gute Lösung gefunden werden. Reden wir offen und respektvoll über unsere Gefühle und Bedürfnisse, besteht die Chance auf Klärung. Sich gegenseitig aber auch einmal den Standpunkt zu lassen, obschon man nicht damit einverstanden ist, und mit dieser Differenz zu leben, ist ein Zeichen von Respekt. Streiten wir konstruktiv, schaffen Auseinander-setzungen mehr Nähe und vertiefen die Beziehung. Denn es ist nicht zuletzt auch die Sicherheit, gemeinsam Konflikte bewältigen zu können, die eine Verbindung stärkt. Cornelia Hotz ELTERN BLEIBEN WEIL DAS KINDESWOHL AUCH NACH DER TRENNUNG ZÄHLT Eltern bleiben Sie ein Leben lang
Manchmal ist eine Trennung der einzige Ausweg aus einer unglücklichen Beziehung. Bei chronischen Konflikten ist diese gar unausweichlich, um eine längerfristige Belastung für alle Beteiligten zu vermeiden. Denn für die gesunde Entwicklung von Kindern ist ein destruktives Familienklima mit häufigen Auseinandersetzungen äusserst ungünstig. Platzt der Traum von einem harmonischen Familienleben, ist dies für alle Beteiligten schmerzhaft. Wenn Kinder da sind, gilt es, als Eltern gemeinsam die Verantwortung für das Ende der Partnerschaft zu übernehmen. Dazu gehören nicht nur ein respektvoller Umgang, sondern auch eine faire Regelung der Trennungsfolgen. Das Kindeswohl steht an erster Stelle Wenn Sie sich für eine Trennung entschieden haben, hat das Kindeswohl oberste Priorität. Dabei spielt es keine Rolle, ob Ihre Kinder noch klein oder schon in der Adoleszenz sind. Die Trennung der Eltern ist immer eine Zäsur, die ein Kind je nach Lebensphase mehr oder weniger in seinem Grundvertrauen erschüttert. Deshalb müssen wir als Eltern alles daran setzen, die Kinder bei einer Trennung vor Loyalitätskonflikten zu schützen. Ihre Kinder lieben Sie beide. Und es sollte für die Kinder auch keine Rolle spielen, wer von Ihnen mehr zum Scheitern der Beziehung beigetragen hat. Verlangen Sie nie von Ihren Kindern, sich zwischen Ihnen zu entscheiden. Denn Loyalitätskonflikte verunsichern Ihre Kinder, erschüttern ihr Grundvertrauen und schwächen ihren Selbstwert. Das Kindeswohl verlangt, dass die Kinder nach der Trennung zu beiden Elternteilen weiterhin eine verlässliche Beziehung aufrechterhalten können. Als Eltern müssen wir uns also ungeachtet unserer Gefühle für einen regelmässigen Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen einsetzen. Halten Sie die Kinder aus Paarkonflikten heraus Oft fühlen sich Kinder an der Trennung ihrer Eltern mitschuldig. Sie leiden mit, wenn es Mama oder Papa schlecht geht. Manche übernehmen sogar die Verantwortung für Ihren Schmerz. Oder die Kinder versuchen, zwischen den Eltern zu vermitteln, um die Familie zusammenzuhalten. Die ist eine Aufgabe, die ein Kind niemals übernehmen dürfte. Trennen Sie Ihre Paarbeziehung stets von der Elternbeziehung. Achten Sie darauf, die Kinder aus Ihren Konflikten herauszuhalten und führen Sie Diskussionen über die Trennungsfolgen in Abwesenheit der Kinder. Vermeiden Sie es insbesondere, vor den Kindern schlecht über Ihre/n Ex-Partner/in zu sprechen. So schwer dies auch sein mag, halten Sie nach der Trennung stets das Kindeswohl vor Auge. Und versuchen Sie, sich gegenseitig in Ihrer Elternrolle zu respektieren, denn Eltern bleiben Sie ein Leben lang. Mit Loyalitätskonflikten bestrafen Sie nicht Ihre/n Ex-Partner/in, sondern letztlich Ihre Kinder. Sie sind es, die mit Schuldgefühlen zurechtkommen müssen, weil sie sich nicht zwischen Ihnen entscheiden wollen. Und sie leiden ihr Leben lang darunter, wenn sie sich an Schulabschlussfeiern oder Geburtstagsparties doch für einen von Ihnen entscheiden müssen. Ich bin überzeugt, dass dies ist das Letzte ist, was Sie wollen. Wenn Ihr Schmerz einer fairen Trennung im Wege steht Die Liebe ist immer Chance und Risiko zugleich. Und es tut weh, wenn wir in der Liebe scheitern. Wenn eine Partnerschaft zerbricht, bleiben Enttäuschung, Schmerz und oft auch Wut zurück. Vielen Paaren gelingt es deshalb nicht, sich bei einer Trennung respektvoll zu verhalten. Sich am Schmerz festzuhalten, gibt uns Sicherheit. Denn die Vergangenheit ist ein wichtiger Teil unserer Identität. Wir definieren uns darüber, was wir einmal erlebt haben und wen wir geliebt haben. Insbesondere wenn Beziehungen zerbrechen, sind Wut und Trauer oft das Einzige, was aus der gemeinsamen Zeit noch übriggeblieben ist. Lassen wir diesen Schmerz los, verlieren wir alles, was uns noch mit diesem Menschen verbindet. Durchleben wir aber die Dramen aus unserer Vergangenheit immer wieder aufs Neue, schaden wir uns damit am meisten. Denn der Schmerz aus der Vergangenheit hindert uns daran, ein neues Kapitel im Buch unseres Lebens aufzuschlagen. Und dieser Schmerz steht uns oft auch im Weg, wenn es darum geht, die Trennung gemeinsam auf faire Weise zu regeln. Vergebung bedeutet Loslassen Wir können uns jeden Tag von neuem entscheiden, in welchem Licht wir die Vergangenheit sehen wollen. Vergebung ist die bewusste Entscheidung, das Ende der Partnerschaft zu akzeptieren und die schmerzvollen Erfahrungen loszulassen. Indem wir vergeben, richten wir unseren Fokus weg von der Vergangenheit in die Zukunft. Auf diese Weise integrieren wir die Paargeschichte in unsere Lebensgeschichte und öffnen den Weg für einen Neuanfang. Neu zu beginnen heisst nicht, das Geschehene zu vergessen und beste Freunde zu werden. Sondern es bedeutet, als Eltern gemeinsam eine Lösung zu finden, die den Interessen aller Familienmitglieder Rechnung trägt. Nehmen Sie Abschied von Ihrer Paarbeziehung und überlegen Sie gemeinsam, wie Sie weiterhin als Eltern einen guten Job machen können. Denn wer sich einmal für Kinder entschieden hat, hat lebenslang. Durch die Kinder bleiben wir bis zum Ende unseres Lebens verbunden, auch wenn wir uns dies anders vorgestellt haben. Sich als Eltern neu begegnen Das Ende der Partnerschaft ist immer auch der Beginn einer neuen Elternschaft. Diese gelingt, wenn das Kindeswohl an erster Stelle steht, der Umgang auf Respekt und Wertschätzung basiert und die Trennungsfolgen einvernehmlich geregelt werden. Auch nach einer Trennung gilt es, sich bei der Kinderbetreuung gegenseitig zu unterstützen, sich über Erziehungsfragen auszutauschen und gemeinsam wichtige Entscheide zu treffen. Auch gibt es Situationen, in denen die Anwesenheit beider Eltern gefragt ist, ohne dass die Stimmung kippt. Miteinander am selben Strick ziehen, gelingt nach einer Trennung leider selten. Besonders schwer wird es, wenn hoch strittige Trennungs- oder Scheidungsverfahren zur Eskalation beitragen. Was immer auch geschehen ist, mit unseren Verletzungen müssen wir nach der Trennung alleine klarkommen. Unser/e Ex-Partner/in wird uns diese Gefühle nicht abnehmen. Holen Sie sich Unterstützung in Ihrem Umfeld oder bei Fachpersonen, um Ihrem Schmerz den Raum zu lassen, den er verdient. Erlauben Sie sich und Ihren Kindern nach einer Trennung, auch mal unglücklich zu sein, denn zum menschlichen Dasein gehören sowohl positive als auch negative Gefühle. Wir dürfen unseren Kindern in Krisenzeiten vorleben, dass man eine Weile traurig sein darf, seine Zukunft dann aber trotzdem optimistisch und selbstbestimmt in die Hand nehmen kann. Unser Schmerz darf jedoch einer respektvollen Trennung nicht im Wege stehen. Überlegen Sie sich bei jedem Schritt, was dieser für die Kinder bedeutet. Kinder brauchen auch nach der Trennung die Liebe beider Eltern. Sie tragen nie die Schuld am Ende der Paarbeziehung, also sorgen Sie dafür, dass sie sich auch nicht danach fühlen. Übernehmen wir als Elternteil die Verantwortung für unser eigenes Glück und zeigen wir unseren Kindern, dass eine gute Elternschaft auch nach einer Trennung möglich ist. Denn was immer wir unseren Kindern über das Leben erzählen, wird ihre Entwicklung nachhaltig prägen. Für unsere Kinder sind Sie als Eltern das Vorbild, dass sie nachahmen werden. Sorgen Sie dafür, dass es ein gutes ist. . Cornelia Hotz FREUNDSCHAFT |
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Mai 2023
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