IMPULSE ZUR STÄRKUNG
EMOTIONSREGULATION Emotionen sind Wegweiser
Gefühle machen unser Leben bunt und beeinflussen unser Wohlbefinden. Wir sind glücklich, wenn wir eine Prüfung bestanden haben. Wir sind traurig, wenn wir verlassen werden. Und wir sind wütend, wenn uns jemand verletzt hat. Die Basis für unsere Emotionen liegt im limbischen System, dem Gefühlszentrum im Gehirn. Über neuronale Netzwerke nimmt dieses Einfluss auf unser Erleben, unser Denken und unser Handeln. Und so beeinflussen unsere Emotionen alle Aspekte unseres Lebens. Sie tragen dazu bei, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen und mit ihr interagieren. Gefühle weisen uns aber auch auf innere Spannungszustände und unerfüllte Bedürfnisse hin. Als subjektives Navigationssystem sind Emotionen Wegweiser auf dem Weg zu einem erfüllten Leben. Die Macht der Emotionen Gefühle sind mächtig. Sie motivieren manche Menschen dazu, die grössten Heldentaten zu vollbringen. Sie können aber auch Auslöser für schlimmes Leid und abscheuliche Verbrechen sein. Natürlich sind uns die angenehmen Emotionen lieber, denn Gefühle wie Freude, Liebe oder Heiterkeit stärken uns. Sie verbessern unsere Stimmung und sorgen für Glücksmomente. Demgegenüber sind Gefühle wie Wut, Angst oder Trauer unangenehme Zeitgenossen und können uns das Leben auf Dauer erschweren. So kann unbewältigte Wut zu hitzigen Streitigkeiten, schlaflosen Nächten und Bauchschmerzen führen. Ein von Ängstlichkeit geprägtes Leben schwächt uns und kann uns daran hindern, neue Lebenserfahrungen zu machen. Und auch Trauer belastet Körper und Psyche, wenn sie nicht überwunden wird. Denn Studien weisen darauf hin, dass viele Krankheiten durch emotionale Altlasten entstehen. Gefühle können aber nicht nur uns selber schaden, sondern auch unseren Beziehungen. Unter dem Einfluss von Zorn, Eifersucht oder Gier sagen oder tun wir vielleicht Dinge, die unsere Mitmenschen verletzen und wir später bereuen. Warum es keine schlechten Gefühle gibt Freude belebt, Angst lähmt, Stress schwächt. Wir erleben Gefühle entweder als angenehm oder als unangenehm. Dennoch gibt es keine guten oder schlechten Emotionen, denn alle Gefühlszustände haben ihr Vorteile. So sind unangenehme Gefühle dazu da, uns vor Unheil zu schützen und sichern seit Urzeiten unser Überleben. Angst lässt uns vor Gefahren fliehen, Wut lässt uns kämpfen und Schamgefühl sichert das Einhalten sozialer Regeln und schützt vor dem Ausschluss aus der Gruppe. Auch Gefühle wie Eifersucht oder Neid sind zwar lästig, weisen uns aber auf unglückliche Verstrickungen oder unerfüllte Bedürfnisse hin und erweisen uns so einen guten Dienst. Dass wir unangenehme Emotionen verstärkt wahrnehmen, während die guten Gefühle in der Hektik des Alltags untergehen, ist evolutionär begründet. Denn unangenehme Emotionen erfordern unser Handeln, um unser physisches oder psychisches «Überleben» zu sichern. Verdrängung und Ablenkung helfen nur kurzfristig Jeder hat sie, aber niemand will sie. Die Versuchung, unangenehme Gefühle zu unterdrücken, ist gross. Ablenkung ist eine allseits verbreitete Strategie, um unangenehme Emotionen zu verdrängen. Übermässiger Konsum von Netflix und Social Media, Gamen oder ständiges Ausgehen oder Arbeiten sind beliebte Mittel, um vor unangenehmen Emotionen zu flüchten. Manchmal sind es ungünstige Glaubenssätze wie «wütend sein gehört sich nicht» oder «ein richtiger Mann weint nicht», die zur Verdrängung von unangenehmen Gefühlen führen. Oft treten Emotionen aber einfach zum falschen Zeitpunkt auf, wenn man sich der Angst oder dem Ärger nicht stellen kann. Doch wer unangenehme Gefühle dauerhaft unterdrückt, verbraucht unnötige Energie und zahlt langfristig einen hohen Preis. Denn verdrängte Gefühle verschwinden nicht von alleine, sondern gedeihen im Verborgenen, bis sie irgendwann in Form von körperlichen Beschwerden oder psychischen Problemen an die Oberfläche treten. Warum Betäubung eine gefährliche Strategie ist Dass der Konsum von Alkohol, Drogen, Medikamenten oder anderen Suchtmitteln eine schlechte Strategie ist, um unangenehme Emotionen zu unterdrücken, ist allgemein bekannt. Und doch greifen viele Menschen in schwierigen Zeiten verstärkt zu Suchtmitteln oder anderen schädlichen Strategien, um ihre Gefühle zu betäuben. Das Feierabendbier ist manchmal zwar wohltuend und lässt einen den Stress des Alltags vergessen, doch wer seine Gefühle regelmässig in Alkohol zu ertränken versucht oder zu anderen Suchtmitteln greift, sieht sich bald mit grösseren Sorgen konfrontiert. Kurzfristig kann uns ein Glas Wein, eine Tafel Schokolade oder eine Shoppingtour zwar durchaus Erleichterung verschaffen, doch auf Dauer sind solche «Dopaminfallen» nicht geeignet, unsere Gefühle zu regulieren. Niemand kann Dir den Frust abnehmen Weine, schreie oder finde andere geeignete Strategien, um Deine unangenehmen Emotionen zu regulieren, aber verschone andere Menschen vor Deinem Frust. Viele Beziehungen scheitern, weil einer oder beide nicht gelernt haben, unangenehme Gefühle zu regulieren. Während wir uns tagsüber bei der Arbeit noch die Mühe machen, Stress, Druck und Ärger zu unterdrücken, holen uns diese Emotionen spätestens zum Feierabend ein. Natürlich kann uns dann ein gutes Gespräch dabei unterstützen, mit unseren Gefühlen klarzukommen. Doch beklagen wir uns zu Hause ständig über die Intrigen am Arbeitsplatz oder die Ungerechtigkeit der Welt, verstärken wir unsere unangenehmen Gefühle, anstatt sie zu regulieren. Zudem sorgen wir für ein schlechtes Beziehungsklima, denn ständiges Jammern und Klagen vermiest auch dem glücklichsten Gegenüber irgendwann die Stimmung. Noch toxischer ist es, den tagsüber aufgestauten Ärger auf die Partnerin oder den Partner zu projizieren, indem man an seinem Gegenüber herumnörgelt oder gar einen Streit provoziert. Dadurch werden die Emotionen nicht reguliert, sondern auf dysfunktionale Weise verstärkt. Denn wer sich ständig beklagt und vom Schicksal betrogen fühlt, verharrt in der Opferrolle. Chronisches Selbstmitleid macht uns handlungsunfähig und zerstört unsere Beziehungen. Kein anderer Mensch kann Dir Deine unangenehmen Gefühle abnehmen. Du kannst sie nur selber regulieren. Emotionsregulation will gelernt sein Seine Gefühle regulieren zu können, ist ein wichtiger Aspekt psychischer und physischer Gesundheit. Trotz der grossen Macht der Emotionen wissen viele Menschen nicht, was sie mit ihren unangenehmen Gefühlen anfangen sollen. Nur wenn wir sinnvolle Strategien zum Umgang mit unseren Emotionen zur Verfügung haben, können wir die Verantwortung für unser Wohlbefinden übernehmen und starke Beziehungen führen. Wie wir unsere Gefühle regulieren können, lernen wir bestenfalls bereits im Kindesalter. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Eltern, Kindern einen gesunden Umgang mit Emotionen vorzuleben. Erlaube Dir und Deinen Kindern auch mal unglücklich zu sein, denn zum menschlichen Dasein gehören sowohl angenehme als auch unangenehme Gefühle. Für Deine Kinder bist Du das Vorbild, das sie nachahmen werden. Nimm die Emotionen Deines Kindes ernst. Lass Dein Kind an der Kasse toben, wenn es keinen Schokoriegel kriegt. Lass Dein Kind weinen, wenn es sein Lieblingskuscheltier verloren hat. Und nimm seine Angst vor dem Monster unter dem Bett ernst, so surreal diese auch ist. Wenn Du Deinem Kind vorlebst, dass es in schwierigen Situationen traurig oder wütend sein darf und dass es diese Gefühlszustände nach einer Weile wieder loslassen darf, lernt es, seine Emotionen zu regulieren. Zuerst wahrnehmen, dann annehmen Oft fühlen wir uns mies, wissen aber gar nicht so genau, was dahintersteckt. Um Emotionen regulieren zu können, ist es wichtig, sich zunächst seiner Gefühle bewusst zu werden. Bin ich traurig, enttäuscht oder wütend? Wenn es Dir schwerfällt, Deine Emotionen einzuordnen, können körperliche Symptome ein Signal dafür sein, welches Gefühl Du gerade durchlebst. Spürst Du einen Kloss in Deinem Hals? Zittern Deine Beine? Rebelliert Dein Magen? Die Fähigkeit, unsere Emotionen achtsam wahrzunehmen und zu benennen, ist der erste Schritt auf dem Weg zur Regulation. Der zweite Schritt bedeutet, seine Gefühle anzunehmen. Was immer auch da ist, darf da sein. Gestehe Dir zu, wütend oder ängstlich zu sein, denn Emotionen sind ein normaler Teil davon, wie wir auf äussere Einflüsse oder unerfüllte Bedürfnisse reagieren. Gefühle sind nie falsch und geben Dir wichtige Informationen. Mach Dir keine Vorwürfe und bewerte nicht, sondern begegne Dir mit Mitgefühl. Doch verharre nicht in Deinen Emotionen, sondern übe Dich in Hoffnung und Zuversicht. Durch das bewusste Annehmen und Durchleben der Emotion verliert diese an Kraft und erlaubt uns einen konstruktiven Umgang mit der auslösenden Situation. Zur Ruhe kommen und bewusst handeln Seine Gefühle zuzulassen bedeutet nicht, die Beherrschung zu verlieren. Wenn Du dazu neigst, andere Menschen zu verletzen, wenn Du Wut verspürst, wirkt sich diese Reaktion negativ auf Dein Wohlbefinden und Deine Beziehungen aus. Die wichtigste Fertigkeit zur Regulation schwieriger Emotionen ist deshalb achtsames Innehalten. Zähle auf zehn, atme fünf Mal tief ein und aus oder suche drei grüne Gegenstände in Deinem Blickfeld. Atem- oder Körperübungen helfen Deinem System, wieder zur Ruhe zu kommen, wenn Du Dich mitten in einem emotionalen Sturm befindest. Sobald Du den durch Angst oder Wut hervorgerufenen Stressmodus hinter Dir gelassen hast, kannst Du bewusst wählen, wie Du auf die auslösende Situation reagieren möchtest. Suche nach Mustern oder Faktoren, die Deine unangenehmen Emotionen auslösen. Oft sind es Trigger aus der Vergangenheit, die zu starken emotionalen Reaktionen führen. Wenn Du den Auslöser für Deine unangenehmen Emotionen erkennst, kannst Du diese Situation in Zukunft vermeiden oder lernen, damit klarzukommen. Überdenke die Geschichte, die Du Dir selber erzählst Was wir über uns selber und das Leben denken, hat einen grossen Einfluss auf unsere Gefühlswelt. Manchmal hilft es, Situationen, in denen unangenehme Gefühle entstehen, anders zu bewerten. Denn oftkreieren wir unser ganz eigenes Bild der Wahrheit, das nicht mit der Realität übereinstimmt. Und sorgen auf diese Weise für unser eigenes Unglück. Vielleicht fühlst Du Dich zurückgewiesen, weil Du seit Wochen nichts mehr von einer Freundin gehört hast, und glaubst nun, dass sie sich nicht mehr für Dich interessiert? Oder Du bist enttäuscht, weil Dich Dein Chef übergangen und einen Kollegen befördert hat und denkst nun, dass Du nicht gut genug bist? Frage Dich, ob es noch andere Erklärungen für diese Vorkommnisse geben könnte. Oder frage einfach direkt nach, um Missverständnisse zu klären. Denn ein grosser Teil unserer unangenehmen Emotionen entsteht nicht durch äussere Ereignisse als solche, sondern durch unsere ungünstige Interpretation dieser Gegebenheiten. Es ist deshalb Zeit, die Verantwortung für unsere Emotionen zu übernehmen, statt dem Leben oder anderen Menschen die Schuld an unserem Unglück zu geben. Sinnvolle Strategien zur Regulation Emotionen wahrzunehmen und sie anzunehmen, ist der wichtigste Schritt zur Regulation. Denn viele unangenehme Gefühle verschwinden nach einer Weile von alleine, wenn sie von uns gesehen wurden. Doch es gibt Emotionen, die so stark sind, dass sie uns über einen langen Zeitraum begleiten. Wer einen Lieblingsmenschen verliert, wird jahrelang von Trauer überflutet. Wer Opfer eines Verbrechens wird, wird seine Ängste vielleicht niemals überwinden. Insbesondere bei starken und lang andauernden Gefühlen lohnt es sich, sinnvolle Strategien zu finden, um mit diesen Emotionen leben zu können. Was tut Dir gut? Welche Menschen geben Dir Kraft? Was wolltest Du schon lange erleben? Während die einen gerne über ihre Befindlichkeiten reden und das Gespräch mit Bezugspersonen oder Therapeuten suchen, helfen anderen Aktivitäten, Hobbies oder andere Engagements. Sich beim Sport auszupowern, kann Stress, Anspannung und Ärger regulieren. Auch handwerkliche Tätigkeiten wie Gärtnern, Stricken oder Töpfern helfen bei innerer Unruhe und lassen Dich die Sorgen für einen Moment vergessen. Immer mehr Menschen üben sich in Achtsamkeit und praktizieren Yoga, Meditation oder Atemübungen, um die Emotionsregulation zu unterstützen und ihr Wohlbefinden zu verbessern. Es spielt keine Rolle, welche Strategie Du wählst, entscheidend ist, dass Du etwas machst, was Dir Freude macht und Dich die schweren Gefühle für einen Moment ertragen lässt. Lass Dich von starken Emotionen nicht dauerhaft überfluten, sondern erlaube Dir, dass neben Trauer, Angst oder Wut auch schöne Momente Platz haben dürfen. Wenn Du Dir in schweren Zeiten immer wieder bewusst angenehme Gefühle beschaffst, kannst Du besser mit den unangenehmen Emotionen umgehen und erhöhst Deine Widerstandskraft. Glücksmomente sammeln Und last but not least: Zu einem guten Umgang mit Emotionen gehört auch, sich trotz aller Schwere immer wieder den schönen Seiten des Lebens zuzuwenden. Sich im Alltag regelmässig und häufige angenehme Gefühle zu beschaffen, macht stark. Emotionen wie Freude, Ruhe oder Gelassenheit tragen dazu bei, dass wir uns erfüllter fühlen. Je mehr angenehme Gefühle wir im Alltag erleben und je bewusster wir diese wahrnehmen, desto mehr Glückshormone werden ausgeschüttet. Menschen, die positiven Ereignissen mehr Aufmerksamkeit schenken und dadurch intensiver gute Gefühle erleben, blühen auf. Es kommt bei angenehmen Emotionen aber nicht in erster Linie auf ihre Intensität an, sondern viel entscheidender ist die Häufigkeit ihrer Wahrnehmung. Ein gelingendes Leben setzt deshalb nicht nur die Regulation unangenehmer Gefühle, sondern auch eine regelmässige Dosis guter Gefühle im Alltag voraus. Dies bedeutet, das gute Leben nicht auf ein paar Wochen Ferien pro Jahr zu verschieben, sondern den gewöhnlichen Alltag freudvoll zu gestalten und die kleinen Überraschungen zu zelebrieren, die das Leben bereithält. Es lohnt sich. Cornelia Hotz
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